Mit Freak Orlando hat Ulrike Ottinger ein bildgewaltiges Historienspektakel in Spielfilmlänge geschaffen. Im Zentrum steht die Figur des Orlando, der in Anlehnung an Virginia Wolfs gleichnamigen Roman sein Geschlecht wechseln kann und immer wieder neu geboren wird. Bei Ottinger ist es eine Orlanda, der wir in fünf Episoden von der Antike über das Mittelalter bis hin zur Gegenwart durch die Geschichte folgen. Die Szenen spielen jedoch nicht vor historischer Kulisse, sondern in Berliner Industrielandschaften, wie einer Kohlehalde oder einem ehemaligen Gaswerk mit Wasserturm.
Freak Orlando ist auch ein Panoptikum der Abnormitäten, wie sie im Zirkus oder auf Jahrmärkten zur Schau gestellt wurden. So begegnen wir Zwerg*innen, Hermaphroditen, siamesischen Zwillingen, Panthermenschen, babyköpfigen Hühnern und einer Frau ohne Unterleib. Ottinger bezieht sich dabei auf historische Vorbilder, wie sie in der Literatur beschrieben werden. Mit diesem Verweis macht die Künstlerin deutlich, dass die Diskriminierung von Andersartigkeit eine lange Tradition hat. Die wundersamen Gestalten gehören in Freak Orlando jedoch zur Normalität. „Alles darf sein und wird sogar ausgestellt, was es sonst im Leben scheinbar nicht gibt oder verdrängt wird“, erklärt Ottinger. Somit ist Freak Orlando auch ein leidenschaftliches Plädoyer für das Anderssein.
Ulrike Ottinger kam über die bildende Kunst in den 1970er Jahren zum Film, der seitdem zu ihrem bevorzugten künstlerischen Medium wurde. Nach ihrem Studium in Paris kehrte sie in ihre Geburtsstadt Konstanz zurück und gründete dort einen Filmclub mit Galerie. 1973 zog sie nach Berlin und drehte dort unter anderem eine Happening-Dokumentation mit Wolf Vostell und den Piratinnenfilm Madame X. Der 1981 entstandene Film Freak Orlando ist der dritte Teil der sogenannten Berlin Trilogie, zu der noch Bildnis einer Trinkerin (1979), sowie Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984) gehören.