Trailer © Cyrill Lachauer

Cockaigne - I am not sea, I am not land

Cyrill Lachauer

  • Jahr 2018
  • Auflage Edition 1/5 (+ 1 a.p.)
  • Material/Technik Multimedia-Installation (Filme, Zeitung, Dia, Wandtexte, Postkarten, 26-teilige Fotoserie)
  • Maße Variabel
  • Laufzeit 2' 20'' – 25' 27''
  • Gattung Medienkunst
  • Sammlung Sammlung Goetz, Medienkunst, München

Cyrill Lachauer beschäftigt sich in seiner umfangreichen Multimediainstallation Cockaigne – I am not sea, I am not land (2018-2020), bestehend aus Filmen, Videos, Diaprojektion, Soundinstallation, Fotografien und Wandtexten, mit der Idee von Land in den verschiedensten Ausformungen. Denn Land kann Heimat bedeuten und Wurzeln geben, es kann ein nährendes Stück Land sein, aber auch als Idee von Nation zu In- und Exklusion führen. Der Titel Cockaigne bezieht sich auf das 1567 von Pieter Bruegel d. Ä. gemalte Bild The land of Cockaigne, dem Schlaraffenland. Es ist ein utopisch-ironischer Gegenentwurf zur alltäglichen Härte des bäuerlichen Lebens.

Ausgangspunkt für das Projekt bildete der Film Dodging Raindrops – A Separate Reality (2017). Der 1979 in Rosenheim geborene und in Berlin lebende Künstler hat Regie, Ethnologie und Kunst studiert. In seiner Jugend stieß er auf das Buch von Carlos Castaneda Eine andere Wirklichkeit (engl.: A Separate Reality). Getrieben von der Idee einer erzählenden Landschaft, in die gleichsam die Geschichte seiner Bewohner miteingeschrieben ist, begab sich Lachauer auf Reisen in die USA. Von Los Angeles aus folgte er der Route der fiktiven Feldforschung von Carlos Castaneda. Offen bleibt, wieviel eigene Geschichte Lachauer, der seine Rolle als weißer europäischer Mann, Künstler und Reisender kritisch hinterfragt, mit in den Film hineinbringt.

The Conqueror - No More Sea, Not Yet Land

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

The Conqueror - No More Sea, Not Yet Land
(basierend auf "Man of Aran" von Robert J. Flaherty, 1934)
S-16mm-Loop, 3' 29''
Audioloop asynchron; Komposition: Ned Collette, 32'

Die Filmprojektion zeigt eine vom Künstler bearbeitete Sequenz aus dem Film Man of Aran von 1934. Darin macht eine vom Wind aufgepeitschte See eine klare Grenzziehung zwischen Festland und Meer unmöglich. Lachauer hat dafür alle Einstellungen, in denen Tiere und Menschen zu sehen sind, aus der Originalfassung getilgt. Übrig geblieben sind Bilder der Küste mit schroffen Felsen, an denen sich wildschäumend die atlantischen Wellen brechen.

Die knapp vierminütige Sequenz konzentriert sich auf einen Raum des Dazwischen, der nicht mehr ganz Meer, aber auch noch nicht Land ist. Für Cyrill Lachauer ist diese Zwischenzone ein Graubereich mit einer großen transformatorischen Kraft. Der australische und in Berlin lebende Komponist Ned Collette hat inspiriert von dieser Idee ein freies Musikstück zu dem Werk komponiert.

Mit seiner künstlerischen Bearbeitung des 1934 entstandenen Dokumentarfilms greift Lachauer aber auch eine Debatte auf, die bereits zur Entstehungszeit von Man of Aran geführt wurde. Kritiker warfen Robert J. Flaherty vor, kein authentisches Bild vom Leben der Menschen zu zeigen, weil er seine Protagonisten vorher ausgewählt hat. Flaherty gehört zu den ersten Regisseuren, die den Dokumentarfilm mit einer spielfilmartigen Erzählung verbanden. Lachauer interessiert sich nicht nur aus künstlerischer Perspektive für den innovativen Ansatz, sondern auch für die erkenntnistheoretische Fragestellung, die sich hinter dieser Debatte verbirgt: Gibt es überhaupt eine dokumentarische Wirklichkeit, oder ist es letztendlich nicht immer nur eine Konstruktion?

Sunken Cities, Floating Skies

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

Sunken Cities, Floating Skies
In Zusammenarbeit mit Moritz Stumm
HD Video (Farbe, Stereoton)
25' 27''

Der Film Sunken Cities, Floating Skies beginnt mit einer Großaufnahme des bekannten, 1567 entstandenen Gemäldes Das Schlaraffenland von Pieter Breugel d. Ä.. Im Gegensatz zu den christlichen Paradiesvorstellungen schuf er damit einen Sehnsuchtsort als Gegenentwurf zur alltäglichen Härte des bäuerlichen Lebens, an dem alle irdischen Genüsse permanent verfügbar sind. Lebensmittel laufen verzehrfertig herum und selbst die Gebäude sind aus essbaren Materialien. Im Zentrum des Gemäldes liegen drei dickbäuchige, vollgefressene Männer – unfähig sich zu bewegen. Wein tropft ihnen aus einem umgefallenen Krug direkt in den Mund. Als Ritter, Bauer und Gelehrter verkörpern sie die drei Stände, die sich hemmungslos den christlichen Todsünden – der Völlerei und der Trägheit – hingeben.

Mit dem Fokus auf das Auge des Gelehrten zoomt Cyrill Lachauer in einer knapp halbstündigen Kamerafahrt in das Gemälde, bis es in seine digitalen Fragmente zerfällt und schließlich in einer Schwarzblende endet. Begleitet wird der Film von dem Text Sunken Cities, Floating Skies, den der Künstler während einer Reise mit den Güterzügen von Florida nach New Mexiko geschrieben hat. Er handelt von Begegnungen mit Menschen am Rande der Gesellschaft, von gescheiterten Wunschvorstellungen und Orten des Niedergangs. Dabei vermischen sich autobiografische Erlebnisse mit Visionen und dystopischen Zukunftsvorstellungen.

Der DJ und Künstler Moritz Stumm hat für diesen Text zusammen mit dem Lachauer einen Soundteppich entwickelt, der Fragmente bereits existierender Musikstücke mit Umgebungsgeräuschen, wie dem Pfeifen einer Lokomotive oder dem Rattern von Eisenbahnwagons, mischt.

Lachauer schlägt hiermit die Brücke zu den Paradiesvorstellungen der „Hobos“, amerikanischen Wanderarbeitern, die das Land illegal mit Güterzügen durchquerten. Ihr Schlaraffenland heißt Big Rock Candy Mountain. Der amerikanische Sänger Harry McClintock hat ihm 1928 einen Song gewidmet, der zur Hymne der Hobos wurde. Auch heute noch bewegen sich Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf Zügen illegal durch das Land. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten das Land ohne finanzielle Mittel zu bereisen und wird als antikapitalistische Lebensform verstanden.

Landless

Mit seinen Fotografien aus der Serie Landless hat Cyrill Lachauer kurze Szenen auf seinen Reisen eingefangen. Die Bilder sind in Berlin, Brandenburg und Brasilien entstanden und erzählen vom Unterwegssein, wie etwa das Motiv des Cowboys, der auf sein Pferd steigt oder das Bildnis eines Adlers auf der Abdeckplane eines LKWs. Jedoch vermitteln sie keine vorfreudige Aufbruchstimmung, sondern eher die Melancholie von gescheiterten Träumen. Lachauer will damit Fragen zu Landbesitz, Gerechtigkeit und Tod aufwerfen.

Moon and a Half Dome und Fire Fall

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

Moon and Half Dome (Greetings to Muir and Adams)
Kamera: Immanuel Hick
S-16 mm Loop
6'  23''

Der S-16mm-Schwarz-Weiß-Film Moon and Half Dome sowie das Dia Fire Fall führen in den Yosemite Nationalpark, einem Ort, der für Cyrill Lachauer eine besondere Bedeutung hat. Seit 2011 reist er regelmäßig in dieses Tal im zentralen Hochgebirge der Sierra Nevada, um dort zu klettern oder die atemberaubende Landschaft mit ihren Wasserfällen und Mammutbäumen zu erkunden. Der Naturphilosoph John Muir gilt als Entdecker des Yosemite Nationalparks in Kalifornien, weil er durch seine wissenschaftlichen Schriften das Tal bekannt gemacht hat. Sein Konterfei wurde sogar auf eine Vierteldollar-Gedenkmünze geprägt. Bei aller Verehrung für den einfühlsamen Forscher wird schnell vergessen, dass das Tal schon vorher besiedelt war. Die Awahnachee lebten im Yosemite Valley, wurden jedoch von den weißen Siedlern verdrängt.

Das Bild des Yosemite Nationalparks wurde in der Welt maßgeblich von den amerikanischen Fotografen geprägt, allen voran Ansel Adams. Bei einem seiner Besuche in dem Naturreservat gelang dem Landschaftsfotografen die legendäre Aufnahme Moon and Half Dome (1960), die den zunehmenden Mond über den Gipfeln des Bergmassivs Half Dome zeigt. Cyrill Lachauer bringt diese beiden Mythen männlicher weißer Geschichts- und Landschaftsbeschreibung zusammen, in dem er die Aufnahme von Ansel Adams mit der reflektierenden John Muir-Vierteldollarmünze als Mond vor dem Half Dome in seinem S-16-mm-Loop reinszeniert.

Dem Film gegenüber projiziert Lachauer das Dia eines Wasserfalls aus Feuer, der sich ähnlich wie eine Wunde in die Landschaft frisst. Der Künstler hat das Bild aus dem Film The Caine Mutiny (1954) entnommen. Es zeigt den Feuerfall – ein Touristenspektakel, das in den 1950er Jahren im Yosemite Valley aufgeführt wurde. Dabei wurde ein Feuer gigantischen Ausmaßes oberhalb des kleinen Ortes Camp Curry errichtet und dann mit Bulldozern über den Abgrund geschoben. Auf diese Weise entstand ein Wasserfall aus Feuer und Glut – ein größenwahnsinniger Eingriff, der exemplarisch die Vereinnahmung der Natur von westlichen Kulturen zeigt.

Justin

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

Justin
Kamera: Immanuel Hick
S-16mm-Film transferiert auf 2k Video (Farbe, Stereoton)
10' 51''

Majestätisch erhebt sich der Felsvorsprung El Capitan im Yosemite Nationalpark. Mit seiner nahezu 1000 m hohen Granitwand gilt er als das Eldorado für Kletterer. Obwohl es einen Wanderweg zu dem Gipfel gibt, versuchen in jedem Jahr Kletterer aus aller Welt auf dem schnellstmöglichen Weg ihr Ziel zu erreichen. Einige von ihnen mussten die Abenteuerlust mit dem Leben bezahlen. Cyrill Lachauer ist selbst ein passionierter Bergsteiger und hat den Felsen bereits auf unterschiedlichen Routen begangen. Bei seinen Aufenthalten im Yosemite Valley lernte er den queeren Parkarbeiter Justin kennen, der auf eine ganze andere Art als die Kletterer eine Verbindung zu der Landschaft eingeht. Lachauer hat ihn gefilmt, wie er sich in Frauenkleidung aus dem hohen Gras zu Füßen des El Capitan erhebt, um dann zu einer imaginären Musik zu tanzen. Mit anmutigen Bewegungen umspielt er den Felsen, scheint ihn zu umarmen und eins zu werden mit dem Ort. Sein Tanz lotet auf eine andere Weise die Grenzen des eigenen Körpers aus und ist ein Gegenentwurf zu den traditionellen, im Tal dominierenden, Vorstellungen von Männlichkeit.

If I Could Only

Audiodatei © Cyrill Lachauer, Foto: Thomas Dashuber

If I Could Only
Mezzosopran: Amelie Baier
Audioloop 3' 23''

Die Opernsängerin Amelie Baier singt die immer gleiche Zeile „If I could only“ (wenn ich nur könnte) aus dem Countrysong If I Could Only Fly von Blaze Foley. Der amerikanische Sänger und Songwriter galt als Außenseiter in der als nationalkonservativ geprägten Countryszene. Er führte ein nicht der Norm entsprechendes Leben als Obdachloser im Mittleren Westen der USA. Sein musikalisches Repertoire reichte von melancholischen Liebesliedern bis hin zu satirisch-politischen Songs. 1989 wurde Foley bei einem Streit in Texas erschossen. Die als Audioloop angelegte Arbeit If I Could Only (2020) ist geprägt durch das An- und Abschwellen der Stimme von Amelie Baier, die gleichsam den hoffnungsvollen wie auch hoffnungslosen Wunsch nach einer anderen Lebenswirklichkeit ausdrückt.

Amerika

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

Amerika
Kamera: Immanuel Hick
S-16mm-Film transferiert auf 2k Video (Farbe, Stereoton)
5' 21''

Mit Barrit, einem in Berlin lebenden Amerikaner, ist Cyrill Lachauer seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden. Ursprünglich wollten die beiden auf Güterzügen durch die USA reisen und Barrits Mutter in Colorado besuchen. Doch aus der Reise wurde nichts, da Barrit befürchtete, möglicherweise in den USA inhaftiert zu werden, weil er einst nach Deutschland geflohen war und dort undokumentiert lebt. Stattdessen besuchten sie gemeinsam den von Berlin in nur zweieinhalb Stunden Autofahrt erreichbaren Ort Amerika in Sachsen. Außer ein paar Wohnblocks, Gärten und einem alten Bahnhof gibt es dort wenig zu sehen. Lachauer hat Barrit gefilmt, wie er Akkordeonspielend die Gleise entlang geht, zusammen mit seinem Hund durch die nahegelegenen Wälder streift und aus dürren Zweigen ein kleines Lagerfeuer entfacht. Alles scheint wie ein schwacher Trost, denn Barrits Traum, einmal den Zügen in der Tradition der Hobos, den legendären amerikanischen Wanderarbeitern zu folgen, konnte nicht eingelöst werden.

The Rain Dancer

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

The Rain Dancer
In Zusammenarbeit mit Moritz Stumm
S-16mm-Film transferiert auf 2k Video (Farbe, Stereoton)
4' 41''

In seinem Film The Rain Dancer (2020) nimmt uns Cyrill Lachauer mit nach Ostrumänien. Dort werden zwischen Weihnachten und Neujahr in einigen, wenigen Ortschaften Paraden und Tänze mit Menschen in Bärenkostümen aufgeführt. Es handelt sich dabei um ein Fruchtbarkeitsritual, bei dem die Tänzer begleitet von Trommelmusik die stampfenden Bewegungen eines Bären nachahmen. Der Boden soll dabei gereinigt und fruchtbar gemacht werden für das neue Jahr. Lachauer hat den Tanz aus seinem Kontext gelöst und lässt einen Mann im traditionellen Bärenkostüm auf einer Waldlichtung tanzen. DJ und Künstler Moritz Stumm hat dazu einen Technosound komponiert. Lachauer verweist mit seinem Film The Rain Dancer auf die Rolle die Spiritualität, die in bestimmten Regionen in Land- und Landschaft eingeschrieben ist.

We Are Unarmed

© Cyrill Lachauer

We Are Unarmed
HD Video Loop
2' 24''

Die Animation We are unarmed verhandelt den Aspekt des geraubten Landes, der sich in der Geschichte Amerikas mit den Indianerkriegen über Generationen hinweg weiter fortschreibt. Sie basiert auf einem Foto, das 2016 während der Proteste im Standing Rock Reservation, einem der größten Indianerreservate der USA, entstanden ist. Dort hatte sich die Lakota mit anderen indigenen Gruppen zusammengeschlossen, um gegen den Bau einer unterirdischen Ölleitung in ihrem Land zu protestieren. Für die Lakota handelt es sich bei dem Gebiet um heiliges Land, das nicht verhandelbar ist. Zudem befürchteten sie, dass der Boden, der zu ihrer Lebensgrundlage gehört, bei einem eventuellen Bruch der Ölleitung verseucht werden könnte.

Bei ihren Forderungen erhielten sie internationale Unterstützung. Gemeinsam wurde ein Protestcamp errichtet, in dem zeitweise bis zu 5000 Menschen lebten. Dabei kam es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei, die mit Gummiknüppeln und Wasserwerfern bei Minusgraden gegen die Demonstranten vorgingen. Es handelte sich dabei um die größte Protestbewegung seit den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Wounded Knee 1973. Schließlich setzte die Reservatsregierung einen Baustopp durch. Es sollten alternative Routen zu dem umstrittenen Verlauf der Ölleitung geprüft werden. Vier Tage nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wurde der Baustopp jedoch in einem Eilverfahren wieder aufgehoben.

We Are Unarmed (II)

Die Fotoserie We Are Unarmed (II) versammelt sieben Fotografien, die in keinem konkreten geografischen Zusammenhang entstanden sind. Vielmehr sind es Zufallsfunde, auf die Cyrill Lachauer auf seinen Reisen durch die Prärie des Heart Lands der USA und Südafrika gestoßen ist. Kindliches Kriegsspielzeug, menschliche Überreste im Sand, ein einsam grasender Bison auf einer Weide oder die geometrischen Formationen von Zugvögeln am Himmel vermitteln ein Gefühl von Ortlosigkeit, dem Verlust von Land und der spirituellen Heimat.

The Big Hole

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

The Big Hole
S-16mm-Film transferiert auf 2k Video (Farbe, ohne Ton)
2' 20''

Im Jahr 2018 stand Südafrika vor einer der größten ökologischen Katastrophen in seiner Geschichte. Aufgrund der anhaltenden Dürre war das Trinkwasserreservoir in Kapstadt fast leer. Cyrill Lachauer wollte nach Südafrika reisen, um einen Film über die Folgen für das Land zu drehen. Aus privaten Gründen konnte er die Reise erst ein Jahr später antreten. Doch als er in Kapstadt ankam, schien das Leben dort schon so zu sein, als hätte es die Wasserkrise nie gegeben. Auf seinem Weg nach Johannesburg lernte er in einem Schnellimbiss durch Zufall drei junge Männer kennen und kam mit ihnen ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass sie Diamantsucher waren, die illegal die Erde und den Schutt der Minen mit ihren Händen nach Resten durchsuchen. Weil die Ausbeute so gering ist, nennt man sie „Zama Zamas“, was so viel wie „those willing to try their luck“ bedeutet. In der Mehrheit sind es Migrant*innen aus benachbarten afrikanischen Ländern oder Minenarbeiter*innen aus Südafrika, die ihren Job verloren haben. Seit 1994 ist „Zama Zama“ auch der Name für die nationale Lotterie in Südafrika.

In seinem Film The Big Hole dokumentiert Cyrill Lachauer nicht das Leben der „Zama Zamas“, sondern konzentriert sich lediglich auf ihre Hände. Man sieht einen Arbeiter, wie er den Boden mit Spitzhacke und Schaufel durchpflügt, dicke Brocken Erde mit seinen Händen zerbröselt, den Sand durch seine Finger siebt, in der Hoffnung zu den wenigen Glücklichen zu gehören. Der Film wird begleitet von drei Fotografien des Künstlers, die auf seiner Reise durch Südafrika entstanden sind.

Esel

Filmausschnitt © Cyrill Lachauer

Esel
In Zusammenarbeit mit Moritz Stumm
S-16mm-Film transferiert auf HD Video (Farbe, Stereoton)
4' 47''

In dem Film Esel beschäftigt sich Lachauer mit einem Ritual aus der nördlichen Alpenregion. Nach altem Brauch ziehen junge, furchterregend maskierte Männer als „Esel“ verkleidet Anfang Dezember durch das Knappendorf Stilfs. Sie tragen archaisch anmutende Masken, buntfarbige Fetzenkostüme und Riemen mit großen Schellen vor ihrem Körper. Bei ihrem Umzug schwingen sie wild ihre Hüften, ahmen das Schreien der Esel nach und wälzen sich auch auf dem Boden. „Klosn“, nennt man diesen Brauch, der reine Männersache ist. Cyrill Lachauer löst in seinem Film den Tanz aus dem vorgegebenen rituellen Kontext des winterlichen Umzugs und lässt drei „Esel“ in einer norditalienischen Berglandschaft auftreten. Moritz Stumm hat dazu einen eigenen Soundtrack mit elektronischer Musik komponiert.

Dieser letzte Film reiht sich in die Gruppe der Tänze ein, wie dem von Justin, dem queeren Parkarbeiter aus dem Yosemite Nationalpark oder dem ostrumänischen Bärentänzer. Sie alle folgen der Idee durch Bewegung, Musik und Ritual eine Verbindung mit der Landschaft einzugehen.

Postkarten

Künstlertexte

Sunken Cities, Floating Skies

Sunken Cities, Floating Skies
You couldn’t climb when we met
Old shoes slipping on granite
Old shoes of older friends
Old granite born of quartz and glimmer
You were nineteen and full of shit
Soon
Climbing hard
A badass
You folded your wings to die on the Meadow
Before bursting the shute opens and you flew away
Just to slip and flip
And brake your back

The shaper lied to me
Just craving for my youth and my strength
The teacher lied to me
Just craving for my youth on the bench
The shaman lied to me
Just craving for the greens
The drugs lied to me
Just craving for some flipping horror trips
The Guru lied to me
Just craving for twisted weirdo minds
The father lied to me
Just craving for denied lust
The mother lied to me
The endless lie of loveBut I came to sing
Sing redemption songs
Sing songs of open roads
Of brothers, tramps and drifters
I wanna be a hero
Heroes without fathers
Eagle without feathers
Ugly crawler full of beauty
I fall into crevasse
Panicking on spiders
Tumbling on my belly
Eating up my guts

I pull again the trigger
On all the father figures

I wanna be a hero
Heroes without fathers
Eagle without feathers
Ugly crawler full of beauty

I pull again the trigger
On all the father figures

Sunken Cities, Floating Skies
Pensacola
You overdosed in shaking white
You were hiding out
Two jungles down
You were ageless with a pink back
Mine was blue and black
Both still around after a heavy sleepless night
I had to calm your friend with an old country tune
He told me stories about rape
Beaten childhoods burning in his eyes
Leper
Lover
Lecher
Loner

After 40 yours
I see a CSX
Three engines in the front
Pulling westbound
Still after sixteen hours on that double stack
Your tremor in my ears

From fire and from smoke
New figures rise
Loving broken twisted splitted
Rich in love and poor in faith
Let the falcons fly
Is just another word for dropping shit
We ramble into dark rooms
Dreams of leather dooms
And orgies of all kind

But I’m still scared to touch your hips
And slip down and inside

A sparkling hallway spreads
into a new horizon
All those fears are old and dead
Like all the heroes brave and hot
Older as the burning inner city
Cars in flames
Cars in flames
And what I’m missing
Is just another crush
And what I’m missing
Is just another deadly crash
Is just a late-night shot
Filled with powders cooked in wastelands
Moldy trailers and askew huts
I wanna be with you
Which is always me
But I’m still scared to touch your hips
And slip down and inside

I pull again the trigger
On all the father figures

I wanna be a hero
Heroes without fathers
Eagle without feathers
Ugly crawler full of beauty

I pull again the trigger
On all the father figures

Sunken Cities, Floating Skies
Florence
You were a sick and filthy painter
Carribean blues
Full of scabies and dripping juice
Next year you still painted
Happy woman you just fucked
Quick and sick
With a white hero trick
Red and blue and green
Khaki linen with bloody drops
Grim reaper with a jagged edge
Reborn in Alabama
Three skulls on a prominent belly
Who will chop them off in our days?

After 20 yours
I see a Northfolk Southern
Three engines in the front
A white grinder full of corn
Pulling westbound
I leave you waiting
And hop the train

But I’m still scared to touch your hips
And slip down and inside

I am what I am is just another deadly trap
You are me
And am I you
And all this we is lonely traveling
Lonely rambling
Lonely wandering
In stores and alleys
Malls and valleys
Just another lonely fuck
Another lonely fuck
Hookers in the hallways
Hard dick
half hard
not hard

But I’m still scared to touch your hips
And slip down and inside
I pull again the trigger
On all the father figures

I wanna be a hero
Heroes without fathers
Eagle without feathers
Ugly crawler full of beauty

I pull again the trigger
On all the father figures

Sunken Cities, Floating Skies
NOLA
You were a skinny bum
You had two brandings on your breast
Ugly coughs and nasty wounds
Sleeping in the school
Abandoned and squatted
A crust punk’s rest
You’re screaming
Come on, come on!
You and me and Jesus!
Let’s jump into Big Muddy!
Let’s swim into the current!
And transform into a fish!
Gleaming flakes
Baptized by pesticides and slags
The man with the sword had left me alone
Clacking cuffs
After PBR and Jamo
Iron smell on itchy skin
All the beasts flattened into tar
Waking up in steel pipes close to yards
I grab the blue, the white, the pink
The rambling men are falling
I’m a motherfuckin monster
Will you still love me tomorrow?

But I’m still scared to touch your hips
And slip down and inside

I pull again the trigger
On all the father figures

I wanna be a hero
Heroes without fathers
Eagle without feathers
Ugly crawler full of beauty

I pull again the trigger
On all the father figures

Sunken Cities, Floating Skies
Amarillo
You had two fingers
Soaked in brownish yellow
Holding on a golden handrail
Cheap fumes and cold smoke
Old fashioned ways of dying
And you crawl into the bunker
Built for endless flashing bombings
Now used to stand the heat
And sheltered by the dark
A batman without fang teeth
One day all inner cities burn
And there won’t be any hiding
There won’t be any cheering
No popping romantic fireworks
Cracking, sparkling Bengal lights
Like barefoot workers dismantling ships
Thrown onto the shore
Dead gods and empty screens
It’s better to burn out than fade away
Nevermind
Pale and stale
Hurt and lonely
I want to please
I want to please
My shortcut to the shotgun

I pull again the trigger
On all the father figures

I wanna be a hero
Heroes without fathers
Eagle without feathers
Ugly crawler full of beauty

I pull again the trigger
On all the father figures

Sunken Cities, Floating Skies
Somewhere in the woods
A kid
Big dreams of places far away
Writtings in the treehouse
Logbooks and fishing hooks
Love letters to girls beyond reach
Odes to laughter and to sanity
To the stoked and sparkling eyes
To encounters of any kind
To mountains, peaks, and summits
To shifting tides and changing corners
To iced beards and bleeding hands
To rage, resistance, and resilience
Writtings against laws carved in our genes
But the world just keeps on spinning
And trees just keep on growing
So fuck your pole
Fuck your judgemental vomit
Fuck your white walls and all your holy halls

Lieber J.,

ich erinnere mich noch genau, wie ich Dich das erste Mal sah. November 2012, Yosemite-Lodge. Es war bereits ungewöhnlich kalt im Tal und es waren keine Touristen mehr da. Du hast getanzt. Zu Musik, die nur Du unter Deinen Kopfhörern hörtest. Du hast Dich durch das Tal getanzt, in das Tal. Entlang des Merced River, vorbei an uraltem Granit. Und die Gerüche und Bäume und der Fluss und der Granit und die Partys und die Farben haben sich in Dich getanzt. Ihr webt Euch ineinander. Ein fortdauernder, endloser Prozess. Ihr seid nicht eins, ihr seid nicht zwei. Jedes Mal wenn ich von Mariposa hinauffahre, sehe ich Dich und den alten Monolithen.

Pass gut auf Dich auf.
Dein C.

Dear Barrit,

now I’m here. Without you. We wanted to ride the trains together. To visit your mother in Colorado. Together in the jungle. Catching out together. It was our dream. Now I’m here. At your home. And you are there. At my home. I have the frightening feeling that I could stay and hop those trains forever. Anyway I don’t know anymore where this at home should be.

Take care,
Cyrill

Dear Gianni Nevada,

on my way to Rumania, I broke down under a bridge. Crying. My world was falling apart. An old man with a cow appeared
between the bushes covering the river bank. He watered the cow and left. About half an hour later the old man returned. He came straight towards me, hugged me, and gave me a bagof walnuts. On the same day, further south I discover a tag from you – saying:

A pile of dirt
A pile of dust
A pile of trash

All the best, my friend!
I can’t send you photos this time. I didn’t take any.

Yours,
Cyrill

„Say my name, say my name
If you love me, let me hear you“
David Guetta

Dear Gianni Nevada,

wie Du weißt, wollte ich 2018 einen Film über die Folgen der Dürre in Südafrika drehen. Die „Stunde Null“ stand kurz bevor und Kapstadt wäre die erste Millionenmetropole der Welt gewesen, die ihre Trinkwasserversorgung nicht mehr hätte aufrechterhalten können. Das Militär hätte an bestimmten Punkten in der Stadt die von der WHO empfohlene Menge an Wasser ausgegeben, die pro Person unabdingbar ist, um Gesundheit und Hygiene aufrecht zu erhalten. Was wäre in den Townships der Cape Flats passiert und was in den Villen der Reichen? Dann wurde meine Schwester krank. Und als ich dann ein Jahr später nach Südafrika reisen konnte, war die Dürre für die meisten Menschen bereits vergessen. Pools waren wieder gefüllt und Rasensprenkler liefen als wäre nie etwas gewesen. Auf meinem Weg nach Johannesburg, lernte ich in einem KFC in Kimberley zufällig drei junge Männer kennen. Milton, Chris und Mmapeng. Wir sprachen über DJs, Partys und unsere Kinder. Dann stellte sich heraus, dass sie Zama Zamas waren. Diamantensucher, welche den Schutt und die Abfallreste des Big Holes nach kleinsten Diamantenresten durchsuchen. Ohne Lohn, in einem Grau- bereich der Legalität, suchen sie Tag um Tag ihr Glück
auf öden Flächen, welche die weißen Minenbesitzer aus dem Erdinneren auf das geraubte und geschändete Land gespuckt haben.

Das meiste, was ich in Kimberley gedreht habe, möchte ich nicht verwenden.

Auf bald – irgendwo,
Dein Cyrill

Let the fire fall

North Dakota
flat and boring
Three bills for the van
The ultimate bet
all in and all alone

Northeast first
Hoisting the main sail
She zigs and she zags her way
to the Keys

Taking a westward turn
through forests and woods
over mountains and deserts

this land is your land
this land was my land
The road is white, the dream is dead

hitting the Olympic rain
finally down South
the Center of the Universe

this land is your land
this land was my land
The road is white, the dream is dead

Phallic monolithic peaks
cast shadows
on the tiny valley’s floor
still dump with fire that falls

Heads or the bearded man on his walking stick
Mother with her Eagle’s tip
embraces the first rays of dawn

Suddenly
With long hair
In a pride of knots

Over here a thirst ridden man with bleeding hands
Sunken deep in a Southern tune
simple kind of man
simple kind of lie

this land is your land
this land was my land
The road is white, the dream is dead

Old man you lost it all
Fruit punch and Wodka
Hitting smoking pipes
One can’t turn back the years

Hop into the car
Turn the music up
There won’t be any Rangers

dark forests
through narrow tunnels
The bear feeds human rot

Catching out can’t fill the void
George Dickels
Postings getting less and less
Until you sink into the moss and needled floor
wrapped in a blanket of white and cold
the fire fades
brilliant with longing and loss

Mr. Dickel’s second coming
Reminds me
Bent
I’m not that old

Through the thickets
And over the roots
Returning to your van

Losing trust in the simple kind of man
Hard and honest
White and proud
That road is yours
Laden with hits of meds and all them dirty tricks

Before the Captain kisses morning light
We sink into a pile of dirty washing
And as we hug in total darkness
Embrace
Dawn

No need
No act
We’re already there
Racing still
blind and sad
we’re both at home

A burning match shows me the way
I leave and close the door

this land is your land
this land was my land
The road is white, the dream is dead

Weitere Vorschläge