2017 entstand im Auftrag des Jewish Chamber Orchestra Munich (JCOM) Nigunim, ein abendfüllendes musikalisches Werk auf den Spuren traditioneller Klezmer-Musik von Moritz Gagern, eine Art auskomponierte jüdische Hochzeit. Nigunim besteht aus 23 kurzen, aufeinanderfolgenden Stücken. Diese können nach ihrer kompositorischen Art in drei Gruppen unterschieden werden. In reine Transkriptionen, in erweiterte Transkriptionen und in vollkommen freie Stücke. Die Komposition ist nicht in drei Blöcke unterteilt, sondern die Stücke der drei Übergruppen werden in gemischter Abfolge gespielt.
Der gleichnamige Film Nigunim (2022/23) von Christoph Brech besteht analog zur Musik von Moritz Gagern ebenfalls aus 23 einzelnen Sequenzen, die jeweils einem Stück der Komposition zugeschrieben sind. So wie sich die Musik in drei Kompositionsgruppen unterteilen lässt, können auch Brechs Filmsequenzen drei verschiedenen Gruppen zugeordnet werden.
Während man die reinen Transkriptionen der Komposition hört, sieht man, wie eine Stabpuppe entworfen, ausgesägt und zusammengesetzt wird. Zur Musik der erweiterten Transkriptionen zeigt der Film, wie sich die Puppenspielerinnen und Puppenspieler für die Vorstellung vorbereiten und wie sie mit den Puppen agieren. Zu den vollkommen frei komponierten Stücken sieht man das Puppenspiel auf der Leinwand, so wie es die Besucher des Puppentheaters erleben. In diesen Filmsequenzen werden die Stationen einer traditionellen jüdischen Hochzeit gespielt.
So wie in der Musik werden also auch im Film verschiedene Zeitebenen und Räume miteinander verwoben. Zum einen wird die historische Ebene einer jüdischen Hochzeit in traditionellen Riten dargestellt; z.B. das reinigende Bad der Braut, das Aufsetzen eines Ehevertrags durch den Rabbi oder bestimmte Arten des Tanzens. Hinzu kommt die vorbereitende Zeit der Herstellung der Puppen und die Gegenwart der gerade jetzt agierenden Puppenspieler. Als Räume werden die Theaterwerkstatt, die Hinterbühne des Puppentheaters und die Leinwand für die Schattenspiele der Stabpuppen vorgestellt, wobei jeder dieser Orte aus einer anderen Perspektive gefilmt ist.
Das Spiel mit dem Schatten wird konsequent in diesen drei Einstellungen umgesetzt; auch im Blick von oben auf die Spieler und der Perspektive des Puppenherstellers gibt es eine eindeutige Lichtquelle von links, so dass auch hier „Schattenspiele“ entstehen.
Auch wenn Christoph Brechs Film Szenen mit konkreten Kapitelüberschriften zeigt, sind diese nicht im eigentlichen Sinn narrativ, sie wecken eher Assoziationen zur Komposition von Moritz Gagern. Musik und Bild werden zu einem neuen, vielschichtigen Werk.