In eine märchenhafte Welt mit rätselhaften Geschöpfen, wilden Tieren und exotischen Pflanzen entführt uns Nathalie Djurberg in ihren Filmen und Installationen. Doch die wundersamen Fabelwesen treiben ein schauriges Spiel. Das Böse lauert überall, und für die Protagonist*innen ihrer Geschichten, die ahnungslos in jede Falle tappen, gibt es kein Entrinnen.
Bekannt wurde die 1978 in Lysekil geborene schwedische Künstlerin durch ihre Stop-Motion-Filme, in denen sie Puppen aus Plastilin und Stoff in surrealen, humorvollen, aber auch beängstigenden Geschichten zum Leben erweckt. Djurberg macht in ihren Arbeiten von der Herstellung der Figuren über die Inszenierung bis hin zur Postproduktion alles selbst. Lediglich die Filmmusik komponiert ihr künstlerischer Partner Hans Berg. Ähnlich wie bei den Stummfilmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Musik ein wichtiges Gestaltungselement, das die Handlung vorantreibt und die Charaktere auf ihrem Weg begleitet.
Für die Multimediainstallation The Experiment wurde Djurberg 2009 auf der Biennale in Venedig mit dem Silbernen Löwen als beste Nachwuchskünstlerin ausgezeichnet. Die Arbeit besteht aus einem surreal anmutenden Garten mit 139 überlebensgroßen Pflanzen, die sie aus verschiedenen Kunststoffen, Pappen und Draht geformt hat. Ähnlich wie Alice im Wunderland fühlen sich die Betrachter*innen, wenn sie an weit geöffneten, feucht glänzenden Blütenkelchen und einem Dickicht aus Schlingpflanzen vorbeiwandern, die ihre klebrigen Blätter nach jenen auszustrecken scheinen.
Inmitten dieser wundersamen Pflanzenwelt werden mit Greed, Forest und Cave drei Videofilme präsentiert, die ambivalente Gefühle zwischen Faszination und Ekel, Neugierde und Abscheu wecken. Weil die Protagonist*innen in Djurbergs Filmen Puppen und keine Menschen sind, ermöglichen sie eine schonungslose Darstellung von gesellschaftlich verdrängten Themen wie Kindesmissbrauch, Sadismus, Sodomie und Gewaltexzess.
Djurbergs Filme verstören öft, weil sie sich formal an der Gestalt kindlich wirkender Knetfiguren orientieren, jedoch Themen tief sitzender Traumata und psychischer Deformationen aufgreifen. Was für ein Mensch mag dahinterstecken, der diesen niedlichen Geschöpfen aus einer scheinbar heilen Kinderwelt solche derben, kaum erträglichen Geschichten zuschreibt? „Es ist ein Zugang, um sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen“, erklärt Djurberg ihre Motivation in einem Interview. „Man untersucht, wie weit man gehen kann, wie weit es einen selber betrifft oder verstört. Ich war überrascht, als ich zum ersten Mal bemerkte, dass ich bei einer meiner Animationen tatsächlich die Ungeduld des Killers und Vergewaltigers nachempfinden konnte, dass ich ungehalten war darüber, dass das weibliche Opfer mir Schwierigkeiten und dadurch für sich selber alles nur noch viel schlimmer macht. Ich muss alle Rollen selber spielen, den Täter und das Opfer gleichermaßen. Der Zusammenstoß zwischen diesen beiden hat immer schon mein Interesse erregt.“